«Sind Sie heterosexuell?» So fragte ein Witzbold auf der Strasse Passanten. Sehr viele der Angesprochenen reagierten wütend, weil sie die Frage missverstanden und «homosexuell» gehört hatten.
Diese Episode zeigt, wie schwierig es ist, sachlich sich mit sexuellen Orientierungen zu befassen. Im neuen, sehr mutigen Papier des Schweizerischen katholischen Frauenbunds/SKF über Gleichgeschlechtliche wird als eine Begründung dafür die «Angst vor eigenen lesbischen oder schwulen Anteilen» angeführt. Ein kürzlich durchgeführtes wissenschaftliches Experiment bestätigt diese Annahme. Einer Gruppe von Männern wurden Filmszenen mit gleichgeschlechtlichen Handlungen vorgeführt. Einige Testpersonen reagierten darauf mit besonders deutlicher Empörung und Ablehnung. Es waren ausgerechnet jene, bei denen in psychologischen Tests die grössten schwulen Persönlichkeitsanteile festzustellen waren. (Womit selbstverständlich nicht pauschal allen, die mit Homosexuellen Mühe haben, eigene Homosexualität unterschoben werden soll…)
Wer die kirchlichen Stellungnahmen der letzten Monate über die Anerkennung von lesbischen und schwulen Partnerschaften verfolgt, sieht sich mit einer Unsicherheit konfrontiert, die nicht allein auf die Angst sexuellen Präferenzen zurückzuführen ist. Es ist die Befürchtung, die als heilig angesehene Institution Ehe könnte Schaden erleiden, wenn Lesben und Schwule eine eheähnliche Beziehung eingehen könnten. Steckt dahinter nicht die äusserst zweifelhafte Logik: «Wenn andere nicht mehr benachteiligt werden, sind meine Rechte in Gefahr.» Wie wenig Vertrauen in die Ehe von Heterosexuellen steckt hinter solchen Ängsten?
Walter Ludin im «Pfarrblatt Luzern» Montag, 12. März 2001