
Einige der evangelischen Landeskirchen in Deutschland haben sich während der letzten zehn Jahre in beachtlichem Masse für die Anliegen von Lesben und Schwulen geöffnet, so zum Beispiel Nordelbien (Hamburg/Schleswig-Holstein). Die Evangelische Akademie Nordelbien veranstaltet seit 1989 Tagungen zur Homosexualität, wobei seit 1994 eine Öffnung zu den “Heteros” erfolgte: Für selbstbezogene “Kuscheltreffen” standen mittlerweile genügend andere Räume zur Verfügung.
So ist dieses Buch als Dokumentation eines offenen Dialogs zu verstehen: Heterosexuelle wie Homosexuelle, die zu den Tagungen kommen, bringen die Bereitschaft mit, über den Tellerrand zu schauen und grössere, gesellschaftspolitische Zusammenhänge in den Fokus zu nehmen. Manchen Autoren glaubt man die Angst vorm Sexuellen am Homo allerdings am verquast-distanzierten Schreibstil abzulesen, so zum Beispiel Hans-Peter Ehmke, wenn er “Neue Perspektiven für die Schule — Homosexualität als Beispiel für den Wandel von Unterrichtsinhalten” angeht, ohne dass man am Ende die leiseste Idee hat, wovon er spricht: Ist er denn nun dafür, dass sich die Schule wandelt, oder resigniert er vor dem Zug der Zeit?
Glänzend ist der Beitrag des Kopenhagener Soziologie-Professors Henning Bech, der angesichts rechtlicher Gleichstellung das Verschwinden der dänischen Homosexuellen als Bürgerbewegung analysiert — was sich auch in Deutschland abzeichnet und dem “Verschwinden” der Frauenbewegung als Ganzem analog scheint. Auch andere Beiträge bewegen sich — parteilich und klar — auf einem hohen Niveau, so zum Beispiel die der TheologInnen Eske Wolrad (freie Autorin, Berlin) und Martin Steinhäuser (Comenius-Institut, Münster).
Eines wird in vielen Beiträgen deutlich: Die Grenzen zwischen homo- und heterosexuellem Lebensstil verwischen mehr und mehr, die familiären Interessenlagen gleichen sich vielfach an. Das ist doch eine schöne Feststellung, die als Ausgangslage für weitere innerkirchliche Diskussionen zur Integration von Lesben und Schwulen dienen könnte. “Für heute aber scheitert eine festgeschriebene Anerkennung an den Einwendungen evangelikaler Gruppierungen, ihren Austrittsdrohungen und den theologischen Bedenken der Bischöfe”, wird am Schluss des Buchs mit höflich gezügeltem Ärger festgehalten. –Stephanie Sellier
Autor_In: Christoph Behrens, Rüdiger Sachau
Genre: Homosexualität allgemein
Verlag: Eb-Verlag (Ebv) 2000
Format: broschiert 107 Seiten
ISBN: 3-930826-65-8