Regenbogenfeier mit Trans Namenssegen am 17.11.2024
Die gelesene Bibelstelle Matthäus 17,1-9 (Luther 2017, beim ERF Bibelserver.de)
Liebe Geschwister,
wie wunderbar, euch heute hier zu sehen!
Ihr kennt das bestimmt: Es gibt Momente und sogar Zeiten, in denen das Leben wie ein Kampf erscheinen kann, wie ein steiler Anstieg – bis endlich Veränderung kommt. Wenn wir nicht wir selbst sein können, oder in Ideen, Vorstellungen und Wünsche von anderen hineingezwängt werden, oder andere Arten von Druck auf uns lasten, Krankheit – es gibt so viel Verschiedenes – dann brauchen wir Hoffnung auf etwas Neues, Anderes.
Jesus steigt mit einigen seiner Jünger auf einen Berg.
Ein hoher Berg, heisst es.
Also noch mehr Strapazen.
Als wäre der Alltag nicht schon anstrengend genug.
Und nun der Aufstieg.
Aber andererseits waren sie nun endlich mal mit Jesus allein.
Was dann kam, hätte wirklich niemand erahnen können:
Jesus fing an zu leuchten, zu strahlen. Er war hell wie die Sonne.
Seine Kleidung war weiss.
Moses und Elijah erschienen wie aus dem Nichts, und die drei redeten miteinander. Worüber, weiss niemand.
Aber die Jünger sahen es.
Wenn es nur einer von ihnen gesehen hätte – man hätte denken können, es wäre eine Illusion.
Ein Sonnenstich. Überanstrengt.
Aber sie sahen es alle.
Und fanden es schön.
So schön, dass sie einfach nur bleiben wollten.
Vergessen war für einen Moment der raue Alltag mit seinen Plagen, vergessen war das Leiden, der Schmerz.
Gegenwärtig war nur die Schönheit – ein Blick hinter den Schleier, auf eine andere, verborgene Welt.
Da wollten sie bleiben, und Hütten bauen. — Und dann war da auf einmal diese Wolke.
Statt Schatten zu werfen, leuchtete auch sie, und eine Stimme kam aus ihr.
Jesus sei das geliebte Kind, auf das sie hören sollten. —
– Das war nun zu viel! Furcht ergriff sie.
Man hat ja nicht alle Tage eine so direkte übernatürliche Erfahrung!
Doch Jesus lässt sie nicht in dieser Furcht.
Er tritt an sie heran.
Er berührt sie, holt sie zurück in das Hier und Jetzt.
In den Alltag.
Sie waren hingefallen, und was sagt er ihnen?
Steht auf!
Habt keine Angst!
Und sie schauen auf, und er ist da – nur Er.
Sie steigen vom Berg hinab.
Sie sollen nicht darüber reden, zumindest eine Zeit lang.
Zwischen ihnen und Jesus gibt es jetzt ein besonderes Band.
Sie sind Eingeweihte, sie haben eine Zeit lang ein besonderes Wissen, das die anderen noch nicht haben, und das ihnen Trost spenden kann in dem, was bevorsteht.
Sie wissen, dass sie die Stimme Gottes gehört haben, dass Jesus sie berührt hat, und ihnen versichert hat, keine Angst zu haben. Er hat ihnen gesagt, wieder aufzustehen.
Und wenn ich dort gewesen wäre, mit ihnen?
Ich wäre sicher froh gewesen, etwas Zeit mit Jesus zu verbringen.
Raus aus dem alltäglichen Trott.
Also steige ich mit Jesus auf den Berg.
Ich brauche diese Pause.
So steigen wir zusammen mit Jesus hinauf.
Und da ist es passiert: Jesus wurde verwandelt.
Er wurde trans-figuriert.
Auf einmal erschien da eine andere Wirklichkeit als nur die, die stets vor Augen steht.
Eine andere als die, ob trist und hart sein kann. Diese war voller Licht, voll Trost.
Sie war anders: ein Fenster, eine Hoffnung darauf, dass es doch noch mehr gibt, als das, was jeden Tag vor Augen steht.
Dass die Hoffnung auf Verwandlung nicht bloss Spekulation ist;
der Glaube an Heilung und Vollendung nicht nur Augenwäscherei und Illusion,
oder ein Krückstock für Schwache ist.
Ich reibe mir die Augen und schaue mich um: Die anderen sehen es auch.
Es passiert wirklich!
Da stehen Mose und Elija, und sprechen mit Jesus, und wir sind auserwählt, dies zu sehen. Nicht dass Jesus nicht schon vorher ganz Jesus gewesen wäre, aber hier in dieser Trans-Figuration wird auf einmal sichtbar, wer Jesus wirklich ist.
Es macht mich nachdenklich:
In der Einladung zur Nachfolge steckt dann also auch die Einladung zur Trans-Figuration, ganz ich selbst zu werden, inmitten dieses chaotischen Lebens.
Das zu werden, was ich noch nicht bin – in der Hoffnung darauf, dass da noch mehr ist als das, was sichtbar ist.
So sehe ich da heute einen trans* Jesus, einen queeren Jesus, dessen wahre Identität als geliebtes Kind Gottes im Lichte des noch zu Kommenden offenbart wird.
Sein Leiden ist das der ganzen Community, die, ob Worten und Taten, der Gewalt ausgesetzt ist.
In diesem Moment aber wird diese trans-zendiert und seine Identität wird offenbar.
In seinem Licht kann ich auch meine Identität erkennen, und mich ebenso in meiner Identität von Gott angenommen wissen.
Durch seine Auferstehung haben auch wir eine kommende und bleibende Hoffnung.
Durch seine Auferstehung, und das Sein in Christus haben wir nicht nur die Hoffnung auf Heilung und Leben hier und jetzt, und nach dem Tod, sondern auch darauf, dass das, was in uns abgetötet wurde, wieder zum Leben erweckt werden möge.
Lautet nicht das Geheimnis des Glaubens beim Abendmahl: „Deinen Tod verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit“?
Dieser Moment der Gewissheit, des Sehens, ist so schön, dass ich verweilen möchte. «Lasst uns Hütten bauen», schlagen wir Jesus vor – wir wollen bleiben.
Wir möchten auch jetzt gleich verwandelt werden, vereint mit Gott.
Vielleicht seine Stimme hören?
Wir sind trunken vom Licht.
Und dann kommt die Stimme von Himmel: Dies ist mein geliebtes Kind!
– Schön, machtvoll, alles erfüllend! Und doch so machtvoll, dass es uns auf den Boden der anderen Wirklichkeit zurückholt, auf die Knie, mit der Furcht, vor dem, was jetzt noch kommen möge in dieser Welt, aber begleitet von diesem Gott der liebt – und doch so ganz anders ist, als man es sich vorstellen kann.
Und dann ist Jesus da. Wieder ganz allein.
Nur er, mit uns.
Er berührt uns.
Er richtet uns auf.
«Steht auf», sagt er, und: «Fürchtet euch nicht!»
FÜRCHTET – EUCH – NICHT!
Die Begegnung mit Jesus allein, zurück im täglichen, normalen Leben, in dieser jetzt noch nicht noch ganz befreiten Welt – sie gibt uns Trost.
Denn diese harsche Welt ist nicht alles, was ist – diese andere Realität existiert eben auch – als Kontrast, aber auch als Trost und als Hoffnung darauf, was sich ändern kann, und was noch kommen kann, gerade müssen hier in diesem Leben das von Licht und Dunkel, von Schönem und Hässlichem, von Freude und Liebe, aber auch von Leid und Gewalt gezeichnet ist.
Hoffnung trotz allem, was schwierig ist. Es ist ein trotziger Trost. Eine Hoffnung, die zugleich Widerstand ist.
Also stehen wir wieder auf.
Und steigen vom Berg hinab.
Wir, die kleine Gruppe unter den Jüngern, die dieses Licht sahen und die
Stimme hörten, zusammen mit Jesus.
Wir steigen hinab vom Berg, mit dem Wissen, das wir jetzt noch für uns behalten sollen – ein Geheimnis zwischen uns und Jesus, das uns eine Weile durchtragen wird durch das, was auf uns zukommen wird – was auch immer das sein wird.
Wir haben gesehen, wer Jesus ist, und was sein wird; haben einen Blick auf das Zukünftige erhascht.
In gewisser Weise sind wir nun alle trans-figuriert.
Wer und was wir sind, ist gut.
Ich bin gut, -DU bist gut – denn Gott hat uns so geschaffen wie wir sind. Also sei, wer und wie Du bist!
Und gleichzeitig ist meine Identität wie die Saat, die noch aufgehen wird, und sich verändert, damit meine gesamte Identität zutage treten kann.
In Gottes Augen gibt es immer mehr, als das, was ich mir vorstellen kann. Mehr Realität als die, die mein Auge sieht.
Gott lädt uns ein, ganz wir selbst zu sein. Er lädt uns nicht nur dazu ein, er sagt zu uns:
SEI DU SELBST!
Und werdet wie die Jünger durch mein Licht verändert; leistet Widerstand im Licht des trotzigen Trostes gegen Gewalt und Ohnmacht; ich, der Ewige tröste euch, und ich, die Ewige bestärke euch in eurem Sein. Die
anderen werden es auch bald wissen.
Also steht auf, und geht in diese Welt – voll Trost, in Liebe, in Stärke – aufrecht.
Amen.
Ari Lee