Was wir sonst sind, spielt keine Rolle

Zu den Aufgaben von Pastorinnen und Pfarrern gehört es, Trauungen zu halten. Dabei beobachten sie, dass Frauen und Männer aus ganz unterschiedlichen Gründen in einer Ehe zusammen finden. Es ist wie in anderen Bereichen – es gibt nichts, was es nicht gibt. Und nun gibt es auch noch so etwas wie «gleichgeschlechtliche Ehe».

In dieser Woche ist das Gesetz in Kraft getreten, das homosexuellen Frauen und Männern eine eingetragene Partnerschaft ermöglicht. «Hoffentlich wird die Kirche diese Paare segnen!» sagen die einen. Andere fragen: «Die Kirche wird doch nicht etwa?»

Unter denen, die eine juristische Gleichstellung und eine kirchliche Segnung ablehnen, sind viele Christen – bis in unser Landesparlament und unsere Landesregierung. Sie argumentieren mit der Hochschätzung von Ehe und Familie in der Bibel und mit ihrer deutlichen Kritik an der Homosexualität. Für viele Christen ist es so eine Sache, mit der der wahre Glaube steht und fällt. Schwule und Lesben können für sie nur zur Gemeinschaft der Christen gehören, wenn sie ihre sexuelle Veranlagung als Sünde erkennen und etwas dagegen unternehmen.

Hier begegnet uns ein Problem, das in der christlichen Gemeinde von Anfang an diskutiert worden ist: Müssen Leute, die zu Jesus Christus gehören wollen, bestimmte Bedingungen erfüllen? Einige waren damals der Meinung, wer Christ werden will, muss vorher Jude werden. Rituelle Handlungen vornehmen, die Gebote einhalten, sonst gehört keiner dazu!

Im Laufe der Geschichte sind in den Kirchen verschiedene Bedingungen gestellt worden. Durch sie wurde zwar Frauen, Farbigen oder Behinderten nicht das Christsein abgesprochen, aber gleichberechtigtes Leben in Kirche und Gesellschaft verwehrt. Ausgrenzung von etwas «Gefährlichem» sollte die gute Sache Gottes vor Missbrauch schützen. In Wirklichkeit ist der Sache Gottes damit viel Schaden zugefügt worden. Deshalb gilt für mich bis heute, was der christliche Missionar Paulus im Jahr 56 an Christen in Galatien (heute Türkei) geschrieben hat: «Wir sind Kinder Gottes geworden, weil wir Jesus Christus vertrauen. Was wir sonst sind – Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, Frauen oder Männer, spielt keine Rolle.»

Ich denke, wir können einfügen «Heteros und Homos». Deshalb sollte der Staat eine würdige Art der Eintragung homosexueller Partnerschaften ermöglichen. Die Kirche sollte – wenn die Christen unter ihnen es wollen – ihre Gemeinschaft segnen.

Pfarrer Karlheinz Weber, TLZ (Thüringische landeszeitung) vom 3.8.01