Wenn ich queere Kinder habe…

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Komplette Übersetzung von „aseglinde“

Was ein Pastor aus North Carolina verspricht: „Wenn ich queere Kinder habe…“

Lesen Sie, was ein Geistlicher seinen Kindern versprochen hat, für den Fall, dass sie sich als queer herausstellen sollten.

John Pavlovitz ist ein Pastor in North Carolina, aber er ist nicht so, wie man das von einem christlichen Pastor in North Carolina erwarten könnte. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

John unterhält einen bekannten Blog mit dem Namen „Dinge, die gesagt werden müssen“. In der vergangenen Woche erregten die Dinge, die seiner Meinung nach, gesagt werden mussten, erhebliches Aufsehen in der LGBT -Community. John imaginierte dort eine Zukunft, in der mindestens eines seiner Kinder sich als queer herausstellte und gab vier feierlichen Versprechen darüber ab, wie er unter diesen Umständen reagieren würde. Auf seine Worte hin bekam er Tausende von Antworten.

„Ich war darauf gefasst, von einigen beklatscht und von anderen verdammt zu werden. Das ist, was passiert, wenn Sie eine Meinung öffentlich kundtun. Ich war auf Wogen der Unterstützung oder auch der Feindseligkeit eingestellt, die jeden Standpunkt begleiten, vor allem bei einem so umstrittenen Thema wie diesem. Worauf ich in keiner Weise vorbereitet war, waren die buchstäblich Hunderte und Aberhunderte von Menschen, die mich persönlich erreicht haben, um mir zu dafür zu danken, dass ich Heilung und Hoffnung in ihre Familien gebracht habe, dass ich ihnen eine Botschaft gegeben habe, die sie nur selten von christlichen Führern bekommen“.

Werfen Sie einen Blick in Johns Versprechen und sehen, worum es dabei geht:

„Manchmal frage ich mich, ob ich queere Kinder haben werde. Ich bin mir nicht sicher, ob andere Eltern darüber nachdenken, aber ich tue es; sogar ziemlich oft. Vielleicht, weil ich viele queere Menschen in meiner Familie und Freundeskreis habe. Es liegt in meinen Genen und in meinem Stammbaum. Vielleicht, weil ich als Pastor von Schülern Horrorgeschichten von queeren, gläubigen Kindern gesehen und gehört habe, von geouteten und versteckt lebenden Kindern, die versuchten, Teil der Kirche zu sein. Vielleicht, weil ich als Christ mit so vielen Menschen zu tun habe, die Queersein für das Widerlichste halten, das sie sich vorstellen können, und die das reichlich und bei jeder denkbaren Gelegenheit deutlich machen. Aus welchem Grund auch immer, denke ich oft darüber nach. Als Pastor und als Elternteil möchte ich Ihnen und meinen beiden Kindern jetzt etwas versprechen.“

1. Falls ich queere Kinder habe, werden Sie es alle wissen.

Meine Kinder werden nicht das am besten gehütete Geheimnis unserer Familie sein. In Gesprächen mit anderen werde ich nicht um den heissen Brei herumreden. Ich werde keine Codes oder vage Ausdrücke benutzen. Ich werde nicht versuchen, etwas zu verheimlichen und ich werde nicht versuchen, die Gefühle anderer Menschen zu schonen, die älter oder leicht beleidigt sind oder sich bei dem Thema unwohl fühlen.

Die Kindheit ist schwierig genug, und die meisten queeren Kinder verbringen ihr ganzes Dasein damit, sich fürchterlich, unerträglich unwohl zu fühlen. Ich werde meine Kinder nicht weiterem überflüssigem Unwohlsein aussetzen, nur um das Thanksgiving-Dinner für einen Cousin dritten Grades mit Aggressionsproblemen ein wenig leichter zu machen. Wenn meine Kinder sich outen, werden wir uns als Familie outen.

2. Falls ich queere Kinder habe, werde ich für sie beten.

Ich werde nicht dafür beten, dass sie „normal“ werden. Ich habe lange genug gelebt, um zu wissen, dass für meine Kinder, falls sie queer sind, das ihre Normalität ist. Ich werde nicht beten, dass Gott sie heilen, verändern oder in Ordnung bringen soll. Ich werde beten, dass Gott sie schützt vor der Unwissenheit, dem Hass und der Gewalt, die die Welt ihnen entgegenschleudern wird, nur weil sie sind, wer sie sind. Ich werde beten, dass er sie abschirmt vor denen, die sie verachten und ihnen schaden möchten; vor denen, die sie zur Hölle wünschen und sie durch die Hölle gehen lassen, ohne sie überhaupt zu kennen. Ich werde beten, dass sie das Leben geniessen können; dass sie lachen, träumen, fühlen und vergeben können, und dass sie Gott und die Menschheit lieben können. Vor allem werde ich Gott bitten, dass die gottlose Behandlung, die meine Kinder von einigen seiner fehlgeleiteten Kinder erfahren könnten, sie nicht davon abhält, ihm zu folgen.

3. Falls ich queere Kinder habe, werde ich sie lieben.

Ich meine nicht eine symbolische, entfernte, tolerante Liebe, die auf der Distanz einer sicheren Armlänge stehen bleibt. Ich meine eine extravagante, offenherzige, uneinsichtige, verschwenderische Liebe, die in der Schulcafeteria peinlich wirkt. Ich werde sie nicht trotz ihrer Sexualität lieben und nicht wegen ihrer Sexualität. Ich werde sie lieben, einfach weil sie süss und lustig, fürsorglich, smart, freundlich, stur, fehlerhaft, originell und schön sind – und meine Kinder. Falls meine Kinder queer sind, können sie an einer Million Dinge in sich selbst und in dies er Welt zweifeln, aber sie werden niemals für eine Sekunde daran zweifeln können, dass ihr Vater ganz und gar verrückt nach ihnen ist.

4. Falls ich zukünftig queere Kinder haben werde, dann habe ich höchstwahrscheinlich jetzt queere Kinder.

Wenn meine Kinder queer sein werden, dann sind sie es auch jetzt schon in ziemlich hohem Masse. Gott hat sie bereits geschaffen und den Samen dafür gelegt, wer sie innerlich sind. Psalm 139 sagt, dass er sie, „in ihrem Mutterleib gebildet hat“. Die unglaublich komplizierten Dinge, die sie einzigartig machen und ihre nie vorher dagewesenen Seelen hat er bereits in ihre Zellen hochgeladen. Aus diesem Grund gibt es keinen Zeitpunkt für die Bestimmung ihrer Sexualität, auf den ihre Mutter und ich fieberhaft hinarbeiten. Ich glaube nicht, dass es ein magisches Ablaufdatum gibt, bis zu dem sie und ich nur die richtigen Dinge tun, sagen oder beten müssen, um sie heterosexuell „zu machen“ oder sie für immer an „die andere Seite“ zu verlieren. Sie sind heute einfach eine jüngere Version von dem, wer sie später sein werden; und heute sind sie verflixt grossartig.

Mir ist völlig klar, dass viele von Ihnen sich durch dies alles beleidigt fühlen werden, besonders, wenn Sie ein religiöser Mensch sind oder jemand, der das ganze Thema ekelhaft findet. Während Sie bis hier gelesen haben, haben Sie vielleicht die Augen verdreht, verächtlich geschnalzt oder ein Schreiben an mich entworfen. Vielleicht haben Sie für mich gebetet, damit ich meine Worte bereue oder Sie überlegen, wie Sie mir die Freundschaft aufkündigen können, oder Sie haben mich als sündhaft, böse oder als höllischen Ketzer abgeschrieben – aber mit so viel Milde und Verständnis, wie ich aufbringen kann, muss ich sagen:

Nichts könnte mir mehr egal sein. Denn es geht hier nicht um Sie. Es geht um etwas weit Grösseres als Sie:
Sie sind nicht die Person, auf die ich neun Monate lang atemlos gewartet habe.
Sie sind nicht die Person, über die ich vor Freude weinte, als Sie geboren wurde.
Sie sind nicht die Person, die ich in Hunderten von innigen, mitternächtlichen Kuschelstunden gebadet, gefüttert und in den Armen gewiegt habe.
Sie sind nicht die Person, der ich das Fahrradfahren beigebracht habe, dessen aufgekratztes Knie ich geküsst habe, und deren kleine, zitternde Hand ich gehalten habe, während sie genäht wurde.
Sie sind nicht die Person, deren Duft ich liebe, und deren Gesicht aufleuchtet, wenn ich abends nach Hause komme, und deren Lachen Musik für meine müde Seele ist.
Sie sind nicht die Person, die meinen Tagen Sinn und Zweck, gibt und die ich mehr liebe als ich jemals dachte, einen Menschen lieben zu können.
Sie sind nicht die Person, die hoffentlich bei mir ist, wenn ich meine letzten kostbaren Atemzüge auf diesem Planeten tue, während ich dankbar auf eine Lebenszeit voller gemeinsamer Schätze zurückblicke, und Ruhe finde in dem Wissen, dass ich sie gut geliebt habe.

Wenn Sie ein Elternteil sind, weiss ich nicht, wie Sie reagieren, wenn Sie herausfinden, dass Ihre Kinder queer sind, aber ich bitte Sie, darüber nachzudenken. Eines Tages, unabhängig von Ihrer Wahrnehmung Ihrer Kinder oder Ihrer Elternschaft, könnte es sein, dass Sie in Echtzeit antworten müssen – einem verängstigten, verzweifelten, verletzen Kind; einem Kind, dessen Gefühl von Frieden und Identität und Akzeptanz verloren gegangen ist; dessen Herz in einer Weise in Ihren Händen ist, die Sie sich niemals vorgestellt haben – und Sie müssen reagieren. Wenn dieser Tag jemals für mich kommt, wenn meine Kinder sich jemals bei mir outen, dann ist dies der Vater, der ich hoffe, Ihnen zu sein.“

John gibt zu, das s er von den emotionalen Reaktionen auf seinen Text überwältigt wurde.

„Viele Eltern, Kinder und Geschwister haben sich mir anvertraut – einige zum ersten Mal überhaupt. Sie erzählten von Schmerzen, Mobbing und Ausschluss, die ihnen Kirchen, Pastoren und Kirchenmitglieder angetan hatten. Sie erzählten mir ihre Geschichten von Ausgrenzung, Isolation, unbeantworteten Gebeten, von zerstörerischen Therapien, Selbstmordversuchen und wie sie von gläubigen Menschen aktiv und passiv vom Glauben weggetrieben wurden. Darum tue ich, was ich tue: damit sich Menschen, die verletzt oder ausgeschlossen wurden, gesehen, gekannt und geliebt fühlen können. «

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Der Originalbeitrag erschien am 17. März 2017 unter johnpavlovitz.com.

Anmerkung des Webmasters: John Pavlovitz verwendet den Begriff LGBTQ, „aseglinde“ in der Übersetzung «Homosexuell». Ich habe mich für «Queer» entschieden, weil dieser Begriff nicht so kryptisch und trotzdem offen ist.