Predigt Lukas 2,36-38

… keinerlei Bedarf an solchen Helferinnen …

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Andacht 27.9.2003 Klosterkirche Oberwiederstedt (Taufkirche von Novalis)

Losung: Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar. Psalm 84,5

Lehrtext: 36 Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser; die war hochbetagt. Sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt, nachdem sie geheiratet hatte,37 und war nun eine Witwe an die vierundachtzig Jahre; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht. Die pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. (Lukas 2,36-38)

Liebe Gemeinde,

Als ich die Losung und den Lehrtext las, ist mir sofort der Wandbehang in dieser Kirche eingefallen, der Frauen zeigt und von Frauen, von Ihnen, gemacht worden ist. Und ein bisschen ist eine gewisse Trauer von mir abgefallen, die mich dieser Tage quält. Da gibt es ein neues Papier der katholischen Kirche, das demnächst gültig werden soll: «Pfand der Erlösung» heisst der Arbeitstitel. Ein Kernpunkt des Dokuments betrifft die Arbeit der Gemeindeassistentinnen. Es bestehe, heisst es in dem Schreiben, aus kirchlicher Sicht keinerlei Bedarf an solchen Helferinnen. Das gelte auch dann, wenn es in den Gemeinden an Geistlichen oder an Diakonen mangele. Pastoralhelfer und -Helferinnen sollen nach dem Willen des Vatikans künftig nicht mehr predigen oder die Kommunion austeilen dürfen. Das trifft Frauen, die die gleiche Ausbildung haben wie ich, aber katholisch sind, natürlich sehr schmerzlich. Und ich kann mich nicht mit dem Gedanken zufriedengeben: «Gott sei Dank, dass ich evangelisch bin» – schliesslich sind wir alle Brüder und Schwestern in Christus, und wenn eine leidet, leidet die andere mit. Der Vatikan will in Zukunft ausserdem Mädchen das Ministrantenamt verwehren. Weiter soll Gläubigen angeblich untersagt werden, im Gottesdienst andere Schriften als die Bibel zu lesen. In vielen Gemeinden sind 95 Prozent der Messdiener Mädchen. Ich erlebe in diesen Tagen, wie junge und ältere Frauen an ihrer Kirche zu verzweifeln drohen, wie sie wütend und traurig sind, sich ohnmächtig ausgeliefert sehen einer Riege von alten Männern, die glaubt, einen Rückschritt ins Mittelalter machen zu müssen – und nicht in die Zeit Jesu, der glaubende und mitdenkende Frauen an seiner Seite ernst nahm. «Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar.» Dieses Lob bleibt zurzeit vielen katholischen Pastoralhelferinnen und Gemeindepädagoginnen im Halse stecken. Sie wissen wohl, dass es eine höhere Instanz gibt als den Papst – aber sie sehen sich aus ihrer Kirche herausgedrängt. Ich denke an diese Prophetin Hanna, die dabei war, als Jesus zum ersten Mal von seinen Eltern in den Tempel gebracht wurde, und die gleich erkannt hat, was es mit diesem Kind auf sich hat. Eine solche Frau dürfte, setzte sich der Entwurf des Vatikans durch, den Mund gar nicht öffnen, um mit eigenen Worten in einer katholischen Kirche zu Gott zu reden. Wir wissen ausser dieser kleinen Passage aus der Bibel nichts über Hanna – aber wenn sie Tag und Nacht im Tempel diente und als Prophetin bezeichnet wird, muss sie schon eine besondere Frau gewesen sein. Denn zwar durften jüdische Mädchen durchaus die Schrift lernen, aber sie sollten ihre Kenntnisse eigentlich nur zu Hause anwenden. Aber Hanna «wich nicht vom Tempel», sie hatte offenbar das «Haus des Herrn» so liebgewonnen, dass sie nicht anders konnte, als dort ihr Leben zu verbringen. Und offenbar hat sie so grosse Achtung genossen, dass ihr Name bis heute überliefert blieb.

Die Kirche, in der wir heute Andacht feiern, gehörte einmal zu einem Augustinerinnenkloster. Sie war geistliches Zentrum von Frauen. Auf dem Wandbehang, der hier von Wiederstedter Frauen gemacht worden ist, sieht man auch die tanzende Frau. Liturgischer Tanz, das will der Vatikan durchsetzen, so künftig auch verboten sein in katholischen Kirchen. Ich denke an Mirjam, die Schwester von Moses, die tanzend Gott lobte – und ich denke an die Gottesdienste, die ich in Tansania erlebt habe und die ohne Tanz gar nicht denkbar wären. Lebendige Gottesdienste in überfüllten Kirchen, Menschen, die trotz Hunger und Krankheit dankten für die Freiheit, die ihnen durch das Evangelium gegeben ist. Jeder Mensch dankt und lobt Gott mit den Mitteln, die ihm gegeben sind. Zurück zur Prophetin Hanna: Die pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten, heisst es bei Lukas. Und Hanna hat mit 84 Jahren den Erlöser noch sehen dürfen, ein Kind, in dem die Hoffnung der Welt ruhte. Sie hat ihr ganzes Leben lang die Hoffnung bewahrt, hat mit dieser Hoffnung gewiss viele Menschen angesteckt, die schon dabei waren, aufzugeben und zu glauben, Gott halte seine Versprechen nicht. Ansteckende Hoffnung, Geduld, Ausdauer und Beharrlichkeit auch dann, wenn es in der Institution Kirche manchmal ziemlich trüb aussieht, das ist es, was Frauen schon oft verkörpert haben. Ich merke es auch jetzt, in Zeiten, in denen unsere Kirchen leer und leerer werden: Frauen sind es, die trotzdem kommen, die die Gemeinden am Leben halten.

Wenn es manche Kirchenmänner vergessen haben, Gott vergisst es nicht: Es waren Frauen, die in der Osternacht zum Grab gewandert sind, Frauen, die diesen Mut aufbrachten – während die Männer sich einriegelten – und diese Frauen wurden aus tiefster Trauer in die grösste Freude versetzt. Als sie dachten: «Jetzt ist alles aus», da traf sie das Licht der Ostersonne, der Blick des Auferstandenen. «Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht traurig sein», heisst eines der schönsten neueren Kirchenlieder, «schreckt dich der Menschen Widerstand, bleib ihnen dennoch zugewandt.» Und wenn es nun Abend wird und Sie vielleicht traurig oder mutlos aus dieser Woche herausgehen, denken Sie daran: Um Mitternacht beginnt der Sonntag, und jeder Sonntag ist ein kleines Ostern. Es gibt eine Auferstehung aus der dunkelsten Nacht, Gott schenkt sie uns durch seine unendliche Liebe. Es gibt keinen Weg, den Christus uns nicht schon vorausgegangen ist – und was auf uns wartet, ist Licht.

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Amen

von: Claire


Leser:innen-Notiz

Erinnere mich, wir waren damals empört, als der Vatikan die Frauen derart unwürdig ausbremsen wollte! Mittlerweile redet niemand mehr davon und man ist in der katholischen Kirche froh, noch ein paar Theologinnen zu haben, die den Karren weiter ziehen – obwohl man ihnen weiterhin die Anerkennung ihrer Vollgültigkeit verweigert! Mit dem umwerfenden Hinweis, dass ja auch die Protestanten einen Priestermangel haben, womit bewiesen sei, dass die Frauenordination das Problem des Priestermangels nicht löse! (Lustig, das gleiche Argument trifft man bei der Frage des Zölibats.)

Sogar in den bischöflichen Administrationen sind die Frauen mittlerweile sehr häufig. Ohne sie geht nichts mehr.

Und – wie diese Predigt schön belegt – waren es schon ganz am Anfang die Frauen, die den Karren angestossen haben.

Es ist dann auch nur zu sehr wahr, dass parallel zur «Verstaatlichung» der Kirche die Männer immer dominanter wurden – und mit ihnen die Kirche zu einem Machtinstrument; Kriege und ähnliches wurden bald nur zu normal in der Kirche und durch sie.

Rebecca B, Dezember 2023