Die Lesbische und Schwule Basiskirche Basel – unsere Aufgaben und Ziele
Ich bedanke mich für die Einladung zum heutigen Anlass, und ich freue mich bei Ihnen zu sein.
In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren sind im deutschsprachigen Raum zahlreiche Gottesdienst-Gemeinschaften von Lesben und Schwulen entstanden. im Januar 2002 haben sich sechs dieser Gruppen zu einem Gemeindetag getroffen. Wir haben uns zu einem losen Verband zusammengeschlossen und uns um die Teilnahme am oekumenischen Kirchentag in Berlin im Mai 2003 beworben. Und siehe da: Wir wurden zugelassen und erhielten einen Stand an der Agora. Noch mutiger geworden waren wir auch am Katholikentag 2004 in Ulm dabei. Im Netz: www.LSGG.org
An unserem Gemeindetag im Frühjahr 2004 hat Peter aus Frankfurt, der die ganze Sache koordiniert hatte, einen Brief gezückt, einen Brief des Vorbereitungskomitees des evangelischen Kirchentages 2005, uns doch in Hannover einzubringen. Wir werden wahrgenommen, wir müssen nicht mehr als Bittsteller anstehen, sondern werden eingeladen. Peters Kommentar:
„Die haben gemerkt, dass da Jungs und Mädels sind, die beten wollen!“
Nun aber nach Basel: die Lesbische und Schwule Basiskirche Basel, oekumenische Gemeinde für alle, ist eine Gottesdienstgemeinschaft. Gottesdienste zu feiern ist unsere erste und wichtigste Aufgabe. Wir tun dies seit über 14 Jahren an jedem dritten Sonntag des Monats in der Elisabethenkirche in Basel, und noch nie ist einer ausgefallen. Dabei betrachten wir uns nicht als Konkurrenz zu anderen Gemeinden, sondern als ergänzendes Angebot. Viele unserer Gemeindeangehörigen sind nach wie vor in ihren angestammten Ortsgemeinden zu Hause. Aber es gibt auch welche, die wurzellos waren und durch uns überhaupt wieder zur Kirche gefunden haben.
Bei unserer Gründung im Herbst 1991 haben wir als Hilfe für die Vorbereitenden eine kleine Liturgie zusammengestellt. Wie diese gefüllt wird, was noch dazu kommt oder weggelassen wird, darin sind die Vorbereitenden, Laien aus der Gemeinde, weitgehend frei. Zum teil schöpfen manche auch aus den vielfältigen Erfahrungen mit den experimentellen Gottesdiensten in der Offenen Kirche Elisabethen. Und immer wieder hören wir von Besucherinnen und Besuchern, auch Heteras und Heteros, die zu uns kommen, dass sie sich in diesen freieren, vielsprachigen und weniger strengen Formen wohl fühlen. Eines der schönsten Komplimente, das ich je gehört habe, war jenes: „Ich habe mich so wohl gefühlt, es war ganz wunderbar, fast wie in Taizé“. „Coming home“ stand über einem unserer ersten Flugblätter: Ankommen, heim kommen, heil werden.
Eines ist unabdingbar: Bei uns stehen in jedem Gottesdienst Brot und Rebensaft auf dem Tisch. Wir feiern immer Abendmahl oder Eucharistie; und des Öftern stehen auch Schalen mit Salböl dabei. Jene Menschen, die einen persönlichen Zuspruch, einen Segen wünschen, haben die Möglichkeit, diesen auch zu bekommen. Es ist wichtig, diese alten bildhaften und körperhaften Zeichen, die so wertvoll sind, nicht zu vergessen! Sie sind wirklich heil-sam!
Wir nennen uns „oekumenische Gemeinde“. Unsere Gottesdienste sind öffentlich. Wir wissen oft nicht, aus welcher Kirche unsere Gottesdienst-Besucherinnen und -Besucher stammen; manche sind auch ausgetreten. Fast alle kommen zum Tisch des Herrn, wenn wir Abendmahl oder Eucharistie feiern, wozu wir immer einen Pfarrer, eine Pfarrerin oder einen Priester einladen. So bleiben wir auch in den Ordnungen der Kirchen.
War es ein Abendmahl, verteilen wir unmittelbar nach dem Abschluss des Gottesdienstes die „Reste“ an die Gemeinde, was übrigens ein alter, aber weitgehend vergessener reformierter Brauch ist. Das geschieht aus Achtsamkeit, aus Rücksicht auf unsere katholischen Brüder und Schwestern und ist auch eine Art der Würdigung der Gaben, für die wir im Hochgebet gedankt haben. Es berührt mich immer, dass ein Jude, der ziemlich regelmässig an unseren Gottesdiensten teilnimmt und selbstverständlich nicht zum Abendmahl kommt, ein Stück dieser „Reste“ entgegennimmt, wenn ihm einer angeboten wird.
Zum zweiten kommt es immer wieder zu mehr oder weniger intensiven Gesprächen mit Menschen, die oft in grosser geistlicher Not oder sehr einsam sind. Das kann bei der Teilete nach dem Gottesdienst geschehen. Meist zeigt es sich aber rasch, dass ein Gespräch im ruhigen privaten Rahmen angezeigt ist. In solchen Gesprächen habe ich schon viel Schweres und Schmerzliches gehört. Dabei geht es immer um das gleiche: Ich muss in erster Linie einmal zuhören! Dann muss ich versuchen, diesem Menschen Mut zu machen. Dies kann niemals durch langatmige Bibelauslegungen oder dogmatische Erklärungen geschehen, sondern schlicht und einfach durch das Weitergeben meiner persönlichen Erfahrungen mit Gott. Ich spreche zum Beispiel von meinem Bewusstsein, dass ich so wie ich bin, in Ordnung und von Gott angenommen bin. Wenn diese Botschaft der Annahme durch Gott ankommt, dann kann der Mensch sich auch selbst annehmen und wird heil. Natürlich kann auch mal die Bibel erwähnt werden, sofern der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin die wichtigsten Stellen kennt, indem ich auf Stellen hinweise, die von Situationen handeln wie jener, die gerade zur Diskussion stehen und welche Antwort dort zu finden ist. Eine der wichtigsten ist das viel missverstandene Wort: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Die kennt auch fast jeder, nur werden die drei letzten Wörter, das „wie dich selbst“ nicht in ihrer wahren Bedeutung wahrgenommen. Nebenbei bemerkt betrachte ich mich bei solchen Gelegenheiten als unter Schweigepflicht stehend.
Der Anstoss zur Gründung der verschiedenen lesbischwulen Gottesdienstgemeinschaften kam nie von oben, es sei denn vom Heiligen Geist. Es waren einzelne Männer und Frauen, die sich zusammengefunden und beschlossen haben, einen Ort zu schaffen, wo Menschen sich nicht erklären oder rechtfertigen müssen. Alle diese Gemeinden wollen Mutmacher sein für Schwule und Lesben, deren Sehnsucht nach Gott nicht ernst genommen wird, die sich in den etablierten Kirchen nicht wohl fühlen, weil man sie mehr oder weniger ausdrücklich hat fühlen lassen, dass sie als homosexuelle Menschen auf dem falschen Weg oder gar unerwünscht sind. In unseren Gemeinden kommen sie in eine Gemeinschaft, in der sie nicht bloss toleriert, sondern fraglos akzeptiert sind.
Den Gottesdienst nennt man das zentrale Ereignis der christlichen Gemeinde. Wo Menschen sich zusammenfinden, um Gottesdienst zu feiern, entsteht und ist Gemeinde. Deshalb feiern wir Gottesdienst, um nochmals mit Peter zu sprechen: Als Jungs und Mädels, die beten wollen! Nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit!
Gehalten am Treffen der Diakoniekapitel beider Basel am 1. März 2005, welches unter dem Thema stand, „Ich glaube, was Du nicht glaubst, Verschiedene Frömmigkeitsstile in der Basler Landeskirche – Chance oder Hindernis?“
Ewald Merkelbach